Rede: CO2-Abscheidung, -Speicherung und -Nutzung

Deutscher Bundestag – 20. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Januar 2023

TOP 11 – CO2-Abscheidung, -Speicherung und -Nutzung, Drucksache 20/5350

Dr. Nina Scheer (SPD):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wir diskutieren hier auf Veranlassung eines CDU/CSU-Antrages über den Umgang mit den sogenannten CCS- und auch CCU-Technologien, also einmal den Nutzen von abgeschiedenem CO2. CCS steht für die unterirdische endgültige Einlagerung von CO2.

Diese Emissionen werden bei Ihnen im Antrag völlig unreflektiert aufgegriffen ob ihrer Entstehung. Es wird also nicht danach differenziert, ob sie unvermeidbar waren.

(Andreas Jung (CDU/CSU): Das stimmt nicht! Nein, nein, nein!)

Sie haben zwar die Prozesse erwähnt, aber Sie machen in Ihrem Antrag nicht die Tür zu für solche Emissionen, die auf anderem Weg entstanden sind.

(Lisa Badum (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr richtig! Da steht leider nichts drin!)

Das haben Sie jetzt hier dazu genannt. Aber das gibt Ihr Antrag nicht wieder. Das möchte ich hier noch mal festhalten.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Schon seit vielen Jahren ist es so, dass wir international eine intensive Beschäftigung mit der Thematik bezüglich des Umgangs mit solchen Emissionen haben. Teilweise geht es auch durcheinander, ob man nur die prozessbedingt unvermeidbaren Emissionen nimmt oder auch andere. Aber die internationale Diskussion, die sich auf unvermeidbare CO2-Emissionen konzentriert – die greife ich jetzt mal heraus -, sagt: Allein diese unvermeidbaren 5 Prozent sind doch so viel, dass man nicht darum herumkommt, dass diese dann gesondert behandelt werden, dass sie unterirdisch verpresst werden. Diese wissenschaftliche Grundlage hat sich über die letzten Jahre auch über den Weltklimarat und entsprechende Berichte herausgebildet. Man hat aber auch Zahlen, mit denen man umzugehen hat, etwa im Bereich BECCS, also der Aufforstung von CO2-bindenden Pflanzen, dann Verbrennung, dann Abscheidung, dann unterirdische Einspeicherung. Man hat einmal ausgerechnet, dass eine Kombination der Aufnahmefähigkeit von Pflanzen und dann eine Entsorgung von CO2 ungefähr eine Fläche von anderthalbmal Indien bedürfte, um eine Aufforstung zu machen. All diese Eckdaten sollte man im Kopf haben, um zu wissen, um welche Dimensionen es sich hier handelt.

In Deutschland haben wir eine Verantwortung, auch mit dem abzuscheidenden CO2 umzugehen. Der vorliegende Antrag ist Anlass, sich mit dem Thema zu befassen. Aber wir brauchen diesen Anlass nicht, um uns damit auseinanderzusetzen; denn wir haben schon im Koalitionsvertrag festgehalten, dass wir eine Langfriststrategie entwerfen wollen, um damit verantwortlich umzugehen. Es geht um den Umgang mit unvermeidbaren – ich betone: unvermeidbaren – Negativemissionstechnologien; hinter der Technologie verbirgt sich dann tatsächlich die Verpressung.

Wir wollen eine Langfriststrategie entwerfen. Wir stehen am Anfang dieses Prozesses. Von der Bundesregierung ist ein Evaluierungsbericht herausgegeben worden. Die von uns mit dem Kohlendioxid-Speicherungsgesetz geschaffene gesetzliche Grundlage sieht vor, dass ein entsprechender Bericht vorgelegt wird; auf dieser Basis ist dann eine Carbon-Management-Strategie zu entwerfen.

In dem Bericht sind zehn Orientierungspunkte genannt, die auch Maßnahmen enthalten, die Sie in Ihrem Antrag fordern. Aber ich betone: Hier liegt viel Verantwortung. Wir wollen uns auf die unvermeidbaren Emissionen fokussieren, und wir benennen auch solche Dinge wie – das kommt bei Ihnen völlig zu kurz -, dass man mit dem Umstand umgehen muss, dass es um eine Gefahrentechnologie geht; so ist die rechtliche Einordnung.

(Lisa Badum (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es geht um Deponielagerung!)

CO2, das transportiert wird, ist ein Gefahrengut. Es geht hier auch um das Thema Endlagerung; und wir wissen aus der Atomenergiedebatte, was das bedeutet.

(Beifall der Abg. Lisa Badum (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wenn wir Endlager schaffen, haben wir in dem Moment eine Verantwortung, damit entsprechend umzugehen,

(Jens Spahn (CDU/CSU): Haben wir das jetzt, oder haben wir das nicht? – Henning Rehbaum (CDU/CSU): Man kann es auch kaputtreden!)

aber wir haben auch den nachfolgenden Generationen gegenüber eine Verantwortung.

(Lisa Badum (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja! Tausende von Jahren!)

Mit diesem Umstand muss man sich gründlich auseinandersetzen; auch das ist Bestandteil dieses Verfahrens. Es ist auch wichtig, dass keine Pfadabhängigkeiten geschaffen werden.

Ich möchte den Bereich Stahlindustrie nennen. Die ganze Zeit galt die Stahlindustrie als eine prozessgebende Industrieform, die unvermeidbares CO2 emittiert, womit man auch umgehen hat. Inzwischen ist es so, dass Stahl nicht mehr genannt wird. Zement, Beton, das wird genannt, aber Stahl wird nicht mehr genannt. Ich möchte darauf hinweisen, dass die gesetzlichen Rahmenbedingungen der letzten Jahrzehnte diesen Innovationsschub mit verursacht haben. Wir können ein Stück weit stolz darauf sein, dass unsere Gesetzgebung dazu geführt hat.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Lisa Badum (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Jens Spahn (CDU/CSU): Das sind wir doch auch!)

Wenn man jetzt das Kind mit dem Bade ausschüttet, so wie Sie das mit Ihrem Antrag verfolgen, dann ist es nicht mehr möglich, dass man Innovationsanreize in Richtung Industrie setzt.

(Andreas Jung (CDU/CSU): Keine Rede zu unserem Antrag!)

Dann ist es nicht mehr möglich, dass in den Bereichen, in denen derzeit noch unvermeidbares CO2 entsteht, dieses möglicherweise durch Weiterentwicklungen in der Forschung reduziert wird, dass man dahin kommt, heute unvermeidbares CO2 möglichst weiter zu minimieren, möglichst CO2-Freiheit in den Produktionsprozessen zu erreichen, andere Produktionsprozesse zu entwickeln und vielleicht auch andere Materialien zu finden. Das alles gehört zu nachhaltiger Entwicklung. Dafür steht die Koalition, dafür steht das, was wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben, und dafür steht auch die zu entwickelnde Carbon-Management-Strategie.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Henning Rehbaum (CDU/CSU): Wo ist denn Ihre Initiative?)

 

Zur Rede in der Mediathek des Deutschen Bundestag.