Rede: Aktuelle Stunde – Ausweitung des Energieangebots

Deutscher Bundestag – 20. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Oktober 2022

Zusatzpunkt 1: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der AfD: Uneinigkeit in der Regierungskoalition – Konsequente Ausweitung des Energieangebots

Dr. Nina Scheer (SPD):

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man muss immer erst mal tief durchatmen, wenn man nach der AfD ans Rednerpult geht,

(Stephan Brandner [AfD]: Wenn man die Wahrheit gehört hat!)

weil man sich wirklich zusammenreißen muss, die Redezeit, die wir alle hier sammeln sollten, nicht für Stumpfsinn zu verwenden, den es hier zu entkräften gälte.

(Marc Bernhard [AfD]: Sagen Sie doch mal Ihre Konzepte!)

Aber ich fange gleich mit der Sache an. Also, Sie wollen gerne, dass wir uns heute in der Aktuellen Stunde mit einer Erweiterung des Energieangebots auseinandersetzen, aber bringen dann nach und nach immer wieder nur das Gleiche vor, wie wir es aus früheren Anträgen kennen. Sie meinen, in der Atomenergie die Lösung zu sehen.

(Marc Bernhard [AfD]: Dann sagen Sie jetzt mal konkret, was den Menschen in diesem Winter hilft! Was hilft denn?)

Sie wissen genau, dass Sie mit den Dingen, die Sie in den nächsten Jahrzehnten entwickeln wollen, von den Technologien her Energiesicherheit sowieso nicht mehr bringen könnten. Damit sind die Kernfusion und die Dinge, die Sie sonst noch in der Atomenergie entdecken wollen, angesprochen.

Dann sehen Sie eine Energiesicherheit, die faktenbasiert schlichtweg nicht gegeben ist. Man muss einfach ganz klar konstatieren, dass ein zunehmender Ausbau erneuerbarer Energien, den wir dringend brauchen, sowohl aus ressourcenpolitischen Gründen als auch aus Klimaschutzgründen, mit Blick auf das Strommarktdesign, das man dafür braucht, und mit Blick auf die Netzinfrastruktur, die wir haben und die wir weiter ausbauen, einen sinkenden Anteil von fossilen Energien und natürlich auch Atomenergie verlangt, weil diese beiden Dinge einfach schlecht zusammenpassen.

Wir brauchen ein Strommarktdesign – auch Lukas Köhler hat es angesprochen – und insgesamt ein Energiesystem, das auf die Eigenschaften der erneuerbaren Energien zugeschnitten ist. Mit „Eigenschaften“ meine ich die fluktuierenden Eigenschaften. Natürlich gibt es nicht zu jeder Minute Wind und nicht zu jeder Minute Sonne; aber es ergänzt sich teilweise. Es muss mit Speichern ergänzt werden, und es muss mit gutem Netzmanagement ergänzt werden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Marc Bernhard [AfD]: In der Menge?)

Viele Speicher haben wir schon; sie sind aber zurzeit nicht richtig ins Netz zu bringen, weil sie blockiert werden, genauso wie auch erneuerbare Energien blockiert werden. Sie werden auch von Atomenergie blockiert.

Insofern muss auch konstatiert werden: Wir haben mit der Entscheidung von Olaf Scholz, die überfällig war und zur richtigen Zeit kam, jetzt auch eine politische Entscheidung im Raum. Ich sage das deswegen, weil natürlich damit nicht gesagt ist, dass hier tatsächlich eine energiepolitische Entscheidung, an die noch anzuknüpfen wäre, getroffen wurde, sondern eine Entscheidung, mit der wir – mit den verschiedenen Perspektiven, die wir in der Koalition bei diesem Thema nun mal haben – zu einer gemeinsamen Lösung kommen wollen.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Wann denn?)

Das betrifft jetzt einen Streckbetrieb, und nichts weiter.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Wann?)

Es ist insofern wichtig, das noch mal zu betonen, als natürlich alles Weitere, wie zum Beispiel die Anschaffung neuer Brennelemente, überhaupt nicht mit einer kostengünstigen Energieversorgung vereinbar wäre,

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Passen Sie auf! Am Ende machen Sie das noch!)

mit einer importunabhängigen Energieversorgung, mit einer den nachfolgenden Generationen gerecht werdenden Energieversorgung.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Passen Sie auf! Nachher tun Sie es noch!)

Der World Nuclear Industry Status Report, der gerade wieder neu aufgelegt wurde, hat es auch noch mal belegt. Es ist auch Fakt, dass weltweit kein Atomkraftwerk krisenresistent gebaut wurde – kein einziges! Insofern ist es einfach ein Himmelfahrtskommando, weiter auf diese höchstrisikoreiche Technologie zu setzen,

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Weiß der Kanzler davon?)

die sich nicht mit erneuerbaren Energien verträgt, die erneuerbare Energien im Netz blockiert.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen haben wir richtigerweise erst vor ein paar Wochen – –

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Dann besser heute runterfahren!)

– Besser heute runterfahren?

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Na, wenn das so ist?)

Widersprechen Sie sich da nicht vielleicht gerade, by the way? Also, Herr Spahn, das ist ja schon bemerkenswert. Jetzt höre ich gerade – wer es nicht vernommen hat –: Dann lieber gleich runterfahren! – Entscheiden Sie sich mal! Sie widersprechen sich da gerade.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Jens Spahn [CDU/CSU]: Hä? Das war ein Witz! Ironie ist nicht so euers, nicht? Sozialdemokraten und Ironie!)

Gut, aber wir nehmen das gerne mit. Deswegen haben wir ja erst vor wenigen Wochen den Erneuerbare-Energien-Booster beschlossen. Mit diesem Erneuerbare-Energien-Booster wird zum Beispiel die stärkere Nutzung von Bioenergie ermöglicht.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Ah! Nach sechs Monaten!)

Allein diese Mengen, die bis Ende 2024 genutzt werden können – allein diese Mengen! – werden errechnetermaßen mehr bringen als die Mengen, die jetzt durch die drei AKWs durch Streckbetrieb ermöglicht werden. Und: Wir haben die Nachtabsenkung für die Windenergie abgemildert; wir haben Erleichterung für das Repowering geschaffen, und es werden noch viele weitere Maßnahmen ergriffen werden können. Insofern sind Sie jederzeit herzlich eingeladen, mitzuwirken.

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Dr. Nina Scheer (SPD):

Ich komme zum Schluss. – In der Energiewende, in den erneuerbaren Energien liegt die Ausweitung des Energieangebots, die Sie heute diskutieren wollen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

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