Deutscher Bundestag – 20. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. Juli 2022
ZP 2: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der CDU/CSU: Worten müssen Taten folgen: Konzertierte Aktion, Energiesicherheit und Bundeshaushalt
Dr. Nina Scheer (SPD):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, Sie von der Unionsfraktion müssen sich einmal entscheiden, was Sie heute hier eigentlich thematisieren wollen. Wollen Sie uns unterstellen, dass wir nicht handeln?
(Zurufe von der CDU/CSU: Ja!)
Oder wollen Sie uns unterstellen, dass wir nicht Ihre Fehler fortsetzen, die Sie immer in der Energiepolitik gemacht haben? Wenn Sie uns vorhalten, dass wir Schulden machen, dann sind Sie, was die Rettungspakete angeht, richtigerweise daran beteiligt gewesen. Wenn es um Investitionen geht, müssten Sie zugeben – und damit komme ich zu meiner Eingangsfrage –, dass wir offenbar handeln; denn wir geben natürlich Gelder in Richtung Zukunftsinvestitionen und damit auch in Richtung struktureller Wandel aus. Das haben Sie im Grunde genommen mit Ihrem plumpen Vorwurf, dass hier nicht gehandelt würde und nur Schulden gemacht würden, gerade schon eingestanden.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Insofern sind Sie sich offenbar bis zur jetzigen Minute nicht im Klaren darüber, was Sie heute hier überhaupt thematisieren wollen.
Wir haben hier eine sehr brenzlige Lage; das ist in der Tat so. Wir wissen – das war auch schon vor dem Krieg so, als die Preissteigerungen für die fossilen Energien anfingen –, dass jetzt verschärft nach dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg auf die Ukraine nicht mehr ausgeschlossen werden kann, dass auch weiterhin und noch verstärkt ausbleibende Energielieferungen und Gaslieferungen als Waffe eingesetzt werden. Insofern ist hier natürlich verstärkt zu handeln.
Ich möchte auch daran erinnern, dass das Handeln, das Sie vorgeschlagen hatten – das hatten Vorredner schon verschiedentlich erwähnt, und ich möchte es unterstreichen –, nämlich einfach Nord Stream 1 zu kappen, wohl das Allerschlimmste gewesen wäre.
(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Das habe ich nie gesagt!)
Das waren Ihre Vorschläge.
(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Falsch! – Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Immer die gleichen falschen Unterstellungen!)
Ich kann Sie nur davor warnen, weiter solche Blindflugvorschläge zu machen; denn das wären definitiv nicht die Taten, die man haben möchte.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wenn Sie fordern, Worten Taten folgen zu lassen:
(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Sie können auch den Rest zu Protokoll geben, wenn Sie wollen!)
Ich habe mich verschlucken müssen, Herr Merz, als ich Ihre Emotionalität wahrgenommen haben.
(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Was wollen Sie eigentlich sagen? Reden Sie doch mal im Zusammenhang!)
Sie behaupten Dinge: Hier würde nicht gehandelt, es gebe Stillstand. Sie konnten sich gar nicht selbst genug sein vor lauter Empörung über angebliches Nichthandeln. Aber Sie müssen einfach eingestehen, dass Behauptungen plus Empörung noch lange keine Realitäten erzeugen; das ist einfach so.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Jetzt hat sie den roten Faden verloren!)
Behauptungen und Empörung sind nicht mit der Realität gleichzusetzen.
Insofern komme ich jetzt zur Realität zurück. Wir haben in den letzten sechs Monaten so viele Gesetze verabschiedet, dass ich gar keinen Vergleichsparameter parat habe; den wird es auch nicht geben.
(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Ist das der Maßstab?)
Es sind enorm viele Gesetze, und zwar richtige, gute Gesetze entstanden. Sie wissen ganz genau, dass die notwendig waren. Wir haben das Gasspeichergesetz verabschiedet. – Wenn Sie jetzt den Kopf schütteln, dann bestreiten Sie, dies zu kennen. Ist das das Niveau, auf dem wir hier diskutieren?
(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Was haben Sie mit dem Gasspeicher Haidach gemacht? Sie haben bis heute nichts mit dem Gasspeicher Haidach gemacht! Der ganze Süden Deutschlands hängt vom Gasspeicher Haidach ab!)
Also: das Gasspeichergesetz. Sie werden kaum leugnen können, dass wir das brauchen.
Auch die Diversifizierung des Gasmarktes ist eingeleitet worden durch ein weiteres Gesetz, das wir auf den Weg gebracht haben, das LNG-Beschleunigungsgesetz. Es ist zudem eine Absenkung der EEG-Umlage zur Entlastung mit vielen weiteren Entlastungsmaßnahmen auf den Weg gebracht worden. Wir hatten gestern zudem ein riesiges Osterpaket im Ausschuss, das morgen zur Verabschiedung steht,
(Friedrich Merz [CDU/CSU]: 300 Seiten zehn Minuten vor Sitzungsbeginn! Das ist Ihre Gesetzgebungsarbeit!)
womit ein massiver Ausbau erneuerbarer Energien erreicht wird. Wir haben über die Reform des Energiewirtschaftsgesetzes und der Preisweitergabemöglichkeiten Vorsorge dafür getragen, dass keine Preissprünge entstehen, dass die Menschen nicht ewig lang in Ersatzstromtarifen hängen, sondern aufgefangen werden, und dass die Stadtwerke damit umgehen können. Auch da haben wir mit gesetzlichen Änderungen Vorsorge getroffen.
Wir haben mit dem Osterpaket die EEG-Umlage abgeschafft. Wir haben das Wind-an-Land-Gesetz dabei. Wir haben das Windenergie-auf-See-Gesetz dabei.
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Biogasgesetz wäre gut!)
Das Gebäudeenergiegesetz ist dabei. Wir haben jetzt ein Ersatzkraftwerkebereithaltungsgesetz auf den Weg gebracht. Wir haben zudem darin noch Änderungen des Energiesicherungsgesetzes auf den Weg gebracht. – Sie schauen überhaupt nicht mehr zum Rednerpult. Sie fühlen sich überhaupt nicht angesprochen. Sie interessieren sich überhaupt nicht für die Taten. Gut, dann wende ich mich denen zu, die es interessiert.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Ständige Zwischenrufe: So zeigt man Interesse!)
Wir haben all dies auf den Weg gebracht. Offenbar halten Sie weiter an Ihrer Realitätsleugnung fest. Das kann ich nur bedauern.
(Lachen bei Abgeordneten der AfD)
Vizepräsidentin Yvonne Magwas:
Kommen Sie bitte zum Schluss.
Dr. Nina Scheer (SPD):
Ich danke Ihnen, dass Sie diese Aktuelle Stunde aufgesetzt haben, weil es wichtig war, dies noch einmal klargestellt zu haben: Wir haben gehandelt, und wir werden es auch weiter tun.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Jens Spahn [CDU/CSU]: Wir werden es im Winter sehen!)
Zur Rede in der Mediathek des Deutschen Bundestag.