Peter Eichstädt ist für Groß Grönau zuständiger Landtagsabgeordneter und Kreisvorsitzender der SPD im Kreis Herzogtum Lauenburg

GRÖNAUER SPIEGEL: Herr Eichstädt, vor 4 Jahren haben wir das letzt Mal mit Ihnen gesprochen. Was hat sich seitdem getan?
Das war das Jahr 2005, und vor allem der 17. März. Da hatte sich Heide Simonis als Ministerpräsidentin zur Wahl gestellt und scheiterte an einem unbekannten Mitglied vermutlich unserer eigenen Fraktion. Das war ein sehr einschneidendes Erlebnis und hat irgendwie die ganzer Wahlperiode begleitet. Das Ergebnis war dann die von niemandem so richtig geliebte Große Koalition.
GRÖNAUER SPIEGEL: Wo sehen Sie die Erfolge der großen Koalition?
Viele dachten ja, dass große Koalitionen besonders geeignet sind, große Probleme zu lösen. Und in der Tat sah es am Anfang so aus, als könnten sich SPD und CDU auf ein Programm einigen, dass das Land wirklich ein Stück nach vorne bringt. Einiges hat auch geklappt, anderes ist aber auch ziemlich enttäuschend gescheitert.
GRÖNAUER SPIEGEL: Nennen sie Beispiele.
Da ist die Vereinbarung, durch eine Kreisreform Millionen zu sparen – das hätte funktionieren können, wenn die CDU nicht Angst vor der eigenen Basis bekommen hätte. Das Projekt ist ziemlich traurig gescheitert. Auch die Verwaltungsstrukturreform, für die eigens ein Staatssekretär Schlie eingesetzt wurde, ist nicht vorangekommen, weil er sich selbst in den CDU – Ministerien nicht durchsetzen konnte.
Aber es gab auch Positives. Dass in den Schulen zukünftig länger gemeinsam gelernt wird, ist ein Punkt. Auch die großen Schritte in Richtung Ganztagsbeschulung zähle ich dazu. Das war wichtig, um in Schleswig – Holstein aus dem Pisa – Tief heraus zu kommen. Und dass in unserem Land immer noch ohne Studiengebühren studiert werden kann, zähle ich ebenfalls zu den Erfolgen.
GRÖNAUER SPIEGEL: Was waren Ihre Schwerpunkte? Was haben Sie persönlich erreicht?
Ich bin in meiner Fraktion für die Medienpolitik verantwortlich und kümmere mich um die Drogenpolitik. Medienpolitik wird vor allem in Abstimmung mit den anderen Bundesländern zur Gestaltung unser Hör- und Fernsehlandschaft gemacht. Das ist oft sehr komplex und wird in der Öffentlichkeit nicht richtig wahrgenommen. Aber es gehören auch Dinge wie die zukünftige Gestaltung der Rundfunkgebühren, die Rolle des Internets als Begleitangebot der öffentlich– rechtlichen Programme dazu. Ein Erfolg war aber auch, dass auf meine Initiative zukünftig mehr barrierefreies Fernsehen, also Untertitelung und Audiosdeskription angeboten wird.
GRÖNAUER SPIEGEL: Und neben der Medienpolitik?
Ich habe beim Zustandekommen einiger wichtiger Gesetze Verantwortung gehabt. Da ist einmal das Nichtraucherschutzgesetz, aber auch das Ladenöffnungszeitengesetz, dass dazu geführt hat, dass Geschäfte selbst entscheiden dürfen, wann sie öffnen wollen – außer Sonntags.
Und ich habe mich um die Eindämmung von Alkoholkonsum Jugendlicher bemüht, ein großes Problem, wie wir zunehmend auf Veranstaltungen erleben. Dazu kommen viele Dinge, die – oft auch gemeinsam mit den Kollegen aus den anderen Fraktionen – geregelt werden konnten. Da geschieht vieles im Stillen.
GRÖNAUER SPIEGEL: Nun wird wieder gewählt – das kam ja sehr plötzlich.
Ja, das war sehr überraschend. Es hat zwar schon seit Monaten Gerüchte gegeben, die CDU wolle vielleicht doch eine vorgezogene Wahl erzwingen. Aber nachdem sich im Koalitionsauschuss beide Partner in allen Punkten geeinigt hatten und ein umfassendes Sparprogramm als große Aufgabe für die Zeit bis zur Wahl im Landtag verabschiedet hatten, habe ich – wie viele andere – nicht mehr mit vorgezogenen Neuwahlen gerechnet.
GRÖNAUER SPIEGEL: So ganz kann ein Außenstehender das nicht nachvollziehen – was war der Grund?
Es ist eigentlich inzwischen ziemlich klar: Die CDU wollte die augenblicklich scheinbar für sie günstigen Wahlprognosen nutzen und hatte auch Sorge, dass diese sich in den nächsten Monaten wieder umkehren könnten. Deshalb war wohl die Versuchung zu groß, sich im Schatten der Bundestagswahl vermeintlich ins Ziel zu retten.
Ich finde das, was da gelaufen ist, sehr problematisch. Eine Wahlperiode dauert fünf Jahre, so lange muss gearbeitet werden. Und einen Grund hat es nicht wirklich gegeben. Der wurde aus wahltaktischen Überlegungen von Peter Harry Carstensen konstruiert.
GRÖNAUER SPIEGEL: Aber nun geht nichts mehr – nur Neuwahlen am 27. September.
Ja, das ist so. Besonders bitter war das Ende. Ich hätte vor allem Peter Harry Carstensen nicht zugetraut, so unfair vorzugehen. Und es ist ja deutlich: Der Bruch war geplant, als Grund wurde einmal mehr das „Feindbild“ Stegner bemüht. Mich ärgert schon die Kritik, die manchmal an Ralf Stegner geäußert wird. Vielleicht ist er nicht so beliebt und väterlich, wie der Carstensen. Aber aus meiner direkten Kenntnis kann ich sagen: Er ist blitzgescheit und kompetent. Und im Zweifelsfall nehme ich für unser Land lieber einen etwas knurrigen Stegner, der klug regiert, als einen launigen Carstensen, der sich eher den gemütlichen Themen zuwendet. Im Sonnenschein geht’s vielleicht auch irgendwie mit Carstensen. Für schlechtes Wetter ist Stegner aber klar der Bessere. Und allzu viel politischen Sonnenschein haben wir in den nächsten Jahren nicht zu erwarten.
GRÖNAUER SPIEGEL: Aber die SPD ist auch als Partei heftig in der Kritik. Viele Mitglieder wenden sich ab.
Stimmt leider. Aber es kommen auch wieder welche dazu – und gerade in der letzten Zeit viele junge Menschen, was mich sehr freut. Das ist manchmal schon eigenartig: Viele Men-schen schimpfen auf die SPD. Und sagen im gleichen Atemzug: Hoffentlich kommt die CDU nicht ran, weil sie den dann bevorstehenden Sozialabbau fürchten. Ich glaube, viele Menschen haben ein schwieriges Verhältnis zur SPD. Gerade im Bereich der sozialen und gerechten Gestaltung unserer Gesellschaft verlangen die Menschen mehr von uns als von anderen Parteien. Das hat auch was mit unserer Geschichte zu tun. Aber diesem Anspruch müssen wir uns stellen.
GRÖNAUER SPIEGEL: Wie sieht es für die Kandidaten und die SPD im Kreis aus?
Wir haben ja unsere KandidatInnen und Kandidaten Ende Juli aufgestellt. Für unseren SPD – Kreisverband ist es dabei sehr gut gelaufen, wir haben so gute Listenplätze erhalten, wie noch nie zuvor bei einer Landtagswahl. Das zeigt auch, dass wir hier im Kreis Herzogtum Lauenburg gute Arbeit machen, die auch im ganzen Land wahrgenommen wird. Ich selbst auf Listenplatz 8, Olaf Schulze im Süden des Kreises auf Platz 13 und die neu kandidierende Josefin Franke auf Platz 26, das sit schon sehr erfreulich. Aber neben dieser Freude über die Anerkennung unserer Arbeit ist natürlich klar, dass wir die Wahlkreises direkt gewinnen wollen.
GRÖNAUER SPIEGEL: Lassen Sie uns zu zwei Themen kommen, die Groß Grönau besonders betreffen. Der Flughafen Lübeck und die Geschwindigkeitsbegrenzung auf der A20, die ja nun aufgehoben werden soll.
Fangen wir mit dem Flughafen an. Ich gebe zu, dass dies ein sehr schwieriges Thema für mich ist. Ich habe großes Verständnis für die Menschen, die schon lange im Ort wohnen und von dem Ausbau des Flughafens überrascht wurde. Andere, die erst gebaut haben, als der Flughafen bereits im Ausbau begriffen war, wussten um das Risiko.
Und in der Tat ist vor allem im Alten Dorf die Lärmbelästigung unerträglich. Trotzdem ist es mir immer sehr schwer gefallen, den Ausbau des Flughafens grundsätzlich abzulehnen. Ich bin nicht zufrieden mit der jetzt getroffenen Regelung zum Nachtflugverbot und ich meine auch, dass für besonders betroffene Häuser eine Entschädigungsregelung erfolgen muss. Und wenn denn wirklich der Flugbetrieb weiter läuft oder sogar ausgebaut wird, muss für die Schule eine Lösung gefunden werden, die nicht zu Lasten der Grönauer Gemeindekasse gehen darf.
Aber grundsätzlich halte ich den Flughafen für eine Infrastrukturfaktor, der als Chance auch zur Schaffung von Arbeitsplätzen notwendig ist.
GRÖNAUER SPIEGEL: Das sieht die SPD in ihrem Ortsverein aber ganz anders.
Das weiß ich und das haben mir die Genossen auch oft und sehr deutlich gesagt. Sie kämpfen für eine starke Reduzierung des Flugbetriebes, noch besser für die Einstellung.
Aber in der Politik muss es auch möglich sein, sehr unterschiedliche Auffassungen auszuhalten, auch wenn das für die Grönauer SPD auf mich bezogen in diesem Punkt nicht einfach ist.
GRÖNAUER SPIEGEL: Und die Aufhebung von Tempo 100 auf der A20?
Da bin ich nun mit den Grönauer Sozialdemokraten und auch der Gemeindevertretung einer Auffassung.
Ich halte es für falsch, dass die Geschwindigkeitsbegrenzung aufgehoben wird. Oder auch nur auf 130 angehoben.
Es ist den Grönauern seinerzeit zugesagt worden, dass, wenn sie ihren Widerstand gegen die A20 aufgeben, diese Begrenzung auf Tempo 100 eingerichtet wird. Da ist es jetzt sehr unfair, mit Hinweis auf die für höhere Geschwindigkeiten geeigneten Kurvenradien und die fehlende Bereitschaft der Autofahrer, die Begrenzung zu beachten, jetzt diese Zusage einkassiert wird.
GRÖNAUER SPIEGEL: Haben sie das dem Wirtschaftsminister auch so gesagt?
Aber ja! Ich habe dreimal mit drei verschiedenen Wirtschaftsministern darüber verhandelt. Gemeinsam mit meinen Lübecker Kollegen haben wir nachdrücklich vom CDU–geführten Ministerium gefordert, die Zusage einzuhalten und bei Tempo 100 zu bleiben. Leider vergeblich.
GRÖNAUER SPIEGEL: Was ist da schief gelaufen?
Weiß ich auch nicht. Es kann ja eigentlich nicht sein dass, nur weil die Kanzlerin sich in ihrem gepanzerten Dienstwagen einmal über die A20 fahren lässt und sich dann über die Begrenzung lustig macht, gleich eine Aufhebung erfolgt.
Aber etwas anderes gebe ich zu bedenken:
Es wäre sicher besser gewesen, wenn der Bürgermeister die Zusage zu Tempo 100 rechtssicher vor Gericht hätte festhalten lassen. Nach meiner Information ist das wohl unterbleiben. Hier wäre ein gewiefter Anwalt vielleicht besser gewesen als ein Staatsanwalt.
GRÖNAUER SPIEGEL: Was sagen Sie den Leuten, wenn die sie fragen, warum SPD gewählt werden soll?
Ich glaube, die Wahl am 27. September ist eine außerordentlich wichtige.
Im Bund und in Schleswig – Holstein entscheidet sich, ob tatsächlich Politik von denen gemacht werden soll, die immer sagen, dass der Staat sich aus möglichst vielen Bereichen zurückhalten soll und die Regelung unserer Probleme dem Markt überlassen soll.
Ich halte das für wirklich fatal, die aktuelle Bankenkrise lässt grüßen. Da musste der Staat dann mit Milliarden alles richten, was die Wirtschaftsliberalen vermurkst haben.
Einen schwachen Staat können sich nur die Starken in unserer Gesellschaft leisten, die weniger begüterten brauchen den Staat und eine soziale Politik.
Und dafür steht in erster Linie die SPD.
GRÖNAUER SPIEGEL: Sagen Sie uns zum Schluss ihre drei wichtigsten Ziele Ihrer Politik:
Diese Beschränkung ist schwierig. Ich entschiede mich für diese:
– Gerechte Bildung ohne Gebühren, von der Kindertagesstätte bis zum Studium.
– Energiewende ohne Atom.
– Gute Arbeit, von der die Familie leben kann.
GRÖNAUER SPIEGEL: Vielen Dank für das Gespräch, und über den Flughafen werden wir wohl weiter miteinander streiten.