von Ralf Johannesson

Der Mai diesen Jahres veröffentlichte die Bundesregierung ihren 3. Armuts- und Reichtumsbericht (Stand 2006). Auch dieser macht allzu deutlich: Die Schere zwischen Arm und Reich hat sich zu Lasten des Mittelstandes weiter geöffnet.
Zählten im Jahre 1996 erst 18% (1986 = 17 %) der Bevölkerung zu den Einkommensstarken, so erhöhte sich der Prozentanteil im Jahre 2006 bereits auf 21 %. Im gleichen Zeitraum stieg aber auch die Zahl der Armutsgefährdeten – mithin der Einkommensschwachen – von 21 % (1986 = ebenfalls 21 %) auf 25 % der Bevölkerung.
Wie erfolgt nun die Zuordnung zu den jeweiligen Gruppen?
Die Eingruppierung orientiert sich ausschließlich am verfügbaren Monatseinkommen, wohl wissend, dass es sowohl vermögensreiche Einkommensarme gibt, als auch sehr vermögende oder eben auch vermögenslose Gutverdiener. Insgesamt wirkt sich die Außerachtlassung des Vermögens aber nur marginal auf die Eingruppierung aus, denn vor allem Einkommensschwäche und Vermögenslosigkeit stehen fast immer im Einklang miteinander.
Wer zählt nun zu den Armutsgefährdeten und wer zu den Einkommensstarken?
Alleinstehende, die weniger als 781 EUR im Monat zur Verfügung haben, gelten als arm. Bei einem Zweipersonenhaushalt beträgt die Grenze 1.172 EUR und bei vier Personen liegt die Armutsgrenze bei 1.640 EUR. Diese Armutsgrenze ist schnell erreicht.
Wer hingegen als Alleinstehender dann über ein Nettoeinkommen von monatlich mehr als 3.268 EUR verfügt und als vierköpfige Familie über mehr als 8.863 EUR, gilt als einkommensstark und damit wohlhabend.
Zwischen den beiden vorangestellten Gruppen liegt die Mittelschicht, deren Anteil sich von 61 % im Jahre 1996 (1986 = 63 %) auf 54 % im Jahre 2006 reduziert hat. Bei Gegenüberstellung der Vergleichzahlen ist erkennbar, dass etwa gleich große Teile der Mittelschicht auf- und leider auch abgestiegen sind.
Die Aufstiege aus der Mittelschicht sind erfreulich und stellen die Gesellschaft kaum vor Probleme. Anders sieht es hingegen mit dem Abstieg aus der Mittelschicht aus. Hier droht Armut.
Ich möchte mein Augenmerk wegen der gesellschaftlichen Auswirkungen daher auf die „Absteiger“ richten.
Ein Abstieg ist heutzutage schnell erreicht. Arbeitslosigkeit, Krankheit, Tod eines Partners und Scheidung sind einige häufige Ursachen für den Abstieg in die Armut. Aber auch mangelhafte Schulbildung und / oder ein niedriger Berufsabschluss stellen Menschen vor erhebliche Probleme. Einen Ausbruch aus der folgenden Abwärtsspirale zu schaffen, ist nur schwerlich möglich, da es dazu einer „erheblichen“ Verbesserung der Einkommenssituation bedarf. Dies erfolgte zumindest in früheren Jahren durch die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit.
Unbestritten hat sich die Zahl der Arbeitslosen seit 2005 reduziert; ein Erfolg der guten Konjunkturlage.
Jedoch hat sich die finanzielle Situation der unteren Beschäftigungsgruppen und Rentner dadurch nicht erheblich gebessert. Denn der wirtschaftliche Aufschwung ging an ihnen weitestgehend vorbei. Für die einen lag es an den ausgesprochen geringen Rentenerhöhungen oder Nullrunden und für die anderen an den geänderten Beschäftigungsbedingungen.
Erfolgten Einstellungen noch bis Mitte der 90iger Jahre im Regelfall in Normalarbeit (Vollzeit) zu Löhnen, die geeignet waren, den Lebensunterhalt zu finanzieren, stellt sich die Situation in den letzten 10 Jahren anders dar.
Einstellungen erfolgten in erheblicher Zahl in prekären Beschäftigungsverhältnissen wie befristete Arbeitsverhältnisse, Zeitarbeit oder Teilzeitbeschäftigung, die häufig ein Auskommen nur dann bieten, wenn gleichzeitig staatliche Zuschüsse zu den Löhnen – hier insbesondere aufstockend Hartz IV – erbracht werden. Die einkommensbedingte Armutsgrenze wird nur durch stattliche Leistungen knapp überschritten.
Um eine Besserung der Situation zu erreichen, ist m.E. vorrangig einer qualifizierten Bildung und Berufsausbildung unabdingbar. Daneben ist auch ein Mindestlohn – gesetzlich oder im Wege von Tarifverträgen – nicht außer acht zu lassen.