Keine Klima-Rettung durch Atomkraftwerke

Von Gabriele Hiller-Ohm, MdB

Gabriele Hiller-Ohm, MdB
Gabriele Hiller-Ohm, MdB

Durch die Debatte um den weltweiten Klimawandel wittern Kernkraft-Lobbyisten plötzlich wieder Morgenluft. Die riskanteste Art der Energieerzeugung wird auf einmal als klimafreundlich und sauber angepriesen, weil sie im Vergleich zu fossilen Energieträgern wie Kohle weniger CO2 produziert. Sollte Deutschland also auf Atomkraft setzen, um seine Verpflichtungen zur Verminderung der Treibhausgas-Emissionen zu erfüllen?

Die These von der Klimarettung mittels Kernenergie hält einer näheren Überprüfung nicht stand. Bei den von der Atomwirtschaft vorgerechneten günstigen Vergleichswerten gegenüber dem CO2-Ausstoß von fossilen Kraftwerken wird nämlich meist nur die Kernspaltung im Reaktor berücksichtigt. Hier fallen tatsächlich so gut wie keine direkten CO2-Emissionen an. Beim Bau von Atomkraftwerken, bei der Förderung des Urans sowie bei den verschiedenen Arbeitsschritten während der Brennelementherstellung ist das allerdings anders. Rechnet man all das in die Bilanz mit ein, schneidet die Atomenergie längst nicht mehr so gut ab. Der durchschnittliche CO2- Ausstoß des deutschen Kraftwerksparks (einschließlich aller Vorleistungen) beträgt rund 620 Gramm CO2 /kWh.

Dass Atomkraftnutzung keine Gewähr für eine gute Klima-Bilanz ist, zeigt übrigens das Beispiel USA: Sie betreiben weltweit die meisten Atom¬kraftwerke (103 von insgesamt 435) und führen gleichzeitig mit 20,3 Tonnen Kohlendioxid pro Kopf und Jahr die Weltrangliste der Klimasünder an.

Doch selbst wenn wir annehmen würden, dass der verstärkte Einsatz von Atomenergie dem Klima nützt: Für den Beschluss, aus der Kernkraft auszusteigen, gab und gibt es viele gute Gründe, die durch die Klimadebatte nicht an Gültigkeit verloren haben.

Abhängigkeit von Importen

Als Nachteil der fossilen Energieträger wird gerne die Abhängigkeit von ausländischen Importen angeführt. Beim Ausbau der Atomenergie kämen wir hier vom Regen in die Traufe, denn Deutschland ist bereits heute zu 100 Prozent ab¬hängig von Uranimporten. Außerdem müssten zunehmend Ressourcen in politisch instabilen Ländern erschlossen werden. Eine gesicherte Versorgung mit Uran-Nachschub für die deutsche Atomenergie wäre also fraglich.

Endlichkeit der Uranvorkommen

Nach aktuellen Angaben der Interna¬tionalen Atomenergie-Organisation (IAEO) und der Organisati¬on für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) gibt es weltweit etwa 4,7 Millionen Tonnen wirtschaftlich abbau¬bare Vorkommen von Uran. Diese Vorräte reichen beim gegen¬wärtigen Jahresverbrauch noch etwa 65-70 Jahre. Wenn Atomstrom die Hälfte der globalen Stromerzeugung übernehmen soll, müssen zusätzlich zu den bisherigen 442 Atomkraftwerken weitere 2.100 neu errichtet werden. Die Reichweite der Uranvorräte würde sich auf 18 Jahre reduzieren.

Unwirtschaftlichkeit

Aus ökonomischer Sicht ist es ebenfalls unsinnig, weiter auf die Atomkraft zu setzen, denn die Uranpreise sind derzeit auf einem historischen Höchststand angelangt- Tendenz weiter steigend. Für die Elektrizitätswirtschaft ist die Errichtung von Atomkraftwerken zudem wegen der sehr hohen Investitionskosten ein großes wirtschaftliches Risiko. Je Kilowatt installierter Leistung kostet ein AKW an die fünf Mal so viel wie ein modernes Gaskraftwerk. Ein bedeutender Ausbau der Atomenergie wäre nur bei staatlichem Engagement – über Subventionen, Bürgschaften und sonstige Risikoabdeckung – möglich.

Risiken vom Uranabbau bis zur Abfallentsorgung

Die Zwischenfälle der vergangenen Monate haben gezeigt, dass deutsche Atomkraftwerke nicht so sicher sind, wie von den Betreibern stets behauptet wird. Aber selbst wenn wir aufgrund der relativ hohen Sicherheitsstandards davon ausgehen, dass bei uns kein GAU passiert, bleibt das Problem der Entsorgung. Mehr als 50 Jahre nach Inbetriebnahme
des ersten Atomkraftwerks hat kein Land der Erde ein sicheres Endlager für hochradioaktive Abfälle. Atommüll strahlt über hunderttausende von Jahren!

Blicken wir über den deutschen Tellerrand hinaus, werden die Risiken einer Ausbau-Politik noch deutlicher: Neue AKW zur weltweiten Energieversorgung müssten in nahezu allen Ländern der Erde installiert werden. Man denke nur an die Bedrohung durch Terrorismus, wenn tausende von Atomkraftwerken in allen Regionen der Welt stehen und daran, dass die Infrastruktur auch zur Herstellung von Atomwaffen nutzbar ist. Ein sicherheitspolitischer Alptraum!

Die Probleme beginnen jedoch schon am Anfang der Produktionskette: Beim Abbau von Uran kommt es zu weiträumigen Verseuchungen. Das geförderte Gestein endet fast vollständig als Abraum. Die bei der Abtrennung des Urans eingesetzten Chemikalien verbleiben teilweise in den Schlammmassen. Etwa die Hälfte der Uranförderung findet derzeit in sehr dünn besiedelten Gebieten Kanadas und Australiens statt. Dort sind hauptsächlich Ureinwohner betroffen, die stetig gegen die angerichteten Schäden protestieren. Ein weiteres Drittel der Uranförderung geschieht in Kasachstan, Niger, Namibia und Russland.

Wenn künftig ein höherer Uranbedarf entstünde, müssten Vorkommen mit noch geringerer Urankonzentration abgebaut werden. Gegenüber heute würde nicht nur das Niveau der Uran-Förderung vervielfacht, sondern vor allem auch die Menge an Abraum und Schlämmen je Tonne geförderten Urans. Es ist schwer vorstellbar, dass die einhergehenden Umweltschäden langfristig politisch tragbar blieben, zumal die Uranförderung dann nicht mehr nur auf entlegene Gebiete beschränkt werden könnte.

Was Uranabbau für die Umwelt bedeutet, war im sächsischen Schlema, dem Standort des ehemaligen Uranabbaus der DDR, zu besichtigen: über 300 Millionen Kubikmeter Abraumhalden, 160 Millionen Kubikmeter giftiger und radioaktiver Schlammseen, kontaminierte Aufbereitungsanlagen. Seit der Wende arbeiten 2.200 Mitarbeiter der Wismuth GmbH mit einem Etat von 13 Milliarden Euro an der Sanierung.

Kein Ausstieg aus dem Ausstieg

Es gibt auch in Zeiten des Klimawandels keinen Anlass, den Ausstieg aus der Atomenergie in Frage zu stellen. Eine klimagerechte Energieversorgung setzt nach sozialdemokratischer Vorstellung dagegen auf die Steigerung der Effizienz, Energiespa¬ren und die Förderung von erneuerbaren Energien.

 

Die SPD-Bundestagsabgeordnete Gabriele Hiller-Ohm ist zu erreichen 

…über das Berliner Büro:
Tel.: 030/ 227-77722
Fax: 030/ 227-76514
e-mail: gabriele.hiller-ohm@nullbundestag.de

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